Homilie des Heiligen Vaters: Feier des Palmsonntag vom lieden des Herrn

20-03-2016Vatican.va

20-04-2016 Palme

 

FEIER DES PALMSONNTAGS VOM LEIDEN DES HERRN

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Petersplatz
XXXI. Weltjugendtag 
Sonntag, 20. März 2016

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»Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn« (vgl. Lk 19,38), rief freudig die Menschenmenge von Jerusalem beim Empfang Jesu. Wir haben diese Begeisterung übernommen: Durch das Wedeln der Palm- und Ölzweige haben wir den Lobpreis und die Freude ausgedrückt, den Wunsch, Jesus zu empfangen, der zu uns kommt. Ja, wie er in Jerusalem eingezogen ist, so will er in unsere Städte und in unser Leben eintreten. Wie er im Evangelium auf einem Esel geritten ist, so kommt er demütig zu uns, aber er kommt »im Namen des Herrn«: Mit der Macht seiner göttlichen Liebe vergibt er unsere Sünden und versöhnt uns mit dem Vater und mit uns selbst. Jesus freut sich über den volkstümlichen Ausdruck der Zuneigung der Menschen. Als die Pharisäer ihn dazu auffordern, die Kinder und die anderen, die ihm zujubeln, zum Schweigen zu bringen, antwortet er: »Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien« (Lk 19,40). Nichts konnte die Begeisterung über den Einzug Jesu aufhalten; nichts möge uns daran hindern, in ihm die Quelle unserer Freude, die wahre Freude zu finden, die bleibt und Frieden schenkt. Denn nur Jesus rettet uns von den Schlingen der Sünde, des Todes, der Angst und der Traurigkeit.

Doch die heutige Liturgie lehrt uns, dass der Herr uns nicht durch einen triumphalen Einzug oder durch mächtige Wundertaten gerettet hat. In der zweiten Lesung fasst der Apostel Paulus den Weg der Erlösung mit zwei Worten zusammen: Er »entäußerte« und »erniedrigte« sich (Phil 2,7.8). Diese beiden Verben sagen uns, bis zu welchem äußersten Punkt die Liebe Gottes zu uns gegangen ist. Jesus entäußerte sich: Er verzichtete auf die Herrlichkeit des Gottessohns und wurde der Menschensohn, um in allem solidarisch mit uns Sündern zu sein, er, der ohne Sünde ist. Nicht nur das. Er lebte unter uns »wie ein Sklave« (V. 7), nicht als König, noch als Fürst, sondern als Sklave. Er erniedrigte sich also und der Abgrund seiner Erniedrigung, die uns die Karwoche zeigt, scheint kein Ende zu haben.

Das erste Zeichen dieser Liebe »bis zur Vollendung« (Joh 13,1) ist die Fußwaschung. »Der Herr und Meister« (Joh 13,14) bückt sich bis zu den Füßen der Jünger, wie es nur die Sklaven tun. Er hat uns mit seinem Beispiel gezeigt, dass wir es nötig haben, von seiner Liebe erreicht zu werden, die sich über uns beugt. Wir können nicht umhin, wir können nicht lieben, ohne dass wir zuerst von ihm geliebt werden, ohne dass wir seine überraschende Zärtlichkeit erfahren und ohne dass wir akzeptieren, dass die wahre Liebe im konkreten Dienen besteht.

Aber das ist nur der Anfang. Die Erniedrigung Jesu geht bis zum Äußersten in der Passion: Von einem Jünger, den er ausgewählt und Freund genannt hat, wurde er für dreißig Silberlinge verkauft und mit einem Kuss verraten. Fast alle anderen fliehen und verlassen ihn. Petrus verleugnet ihn drei Mal im Hof des Tempels. Von den Verhöhnungen, den Beleidigungen und von der Spucke im Geist gedemütigt, leidet er grausame Gewalt am Leib: die Schläge, die Geißelhiebe und die Dornenkrone machen seinen Anblick unkenntlich. Er erleidet auch die Schmach und die ungerechte Verurteilung durch die religiösen und politischen Amtsträger: Er wurde zur Sünde gemacht (vgl. 2 Kor 5,21) und zu den Verbrechern gerechnet (vgl. Lk 22,37). Pilatus schickt ihn dann zu Herodes, und dieser schickt ihn wieder zum römischen Statthalter zurück. Während ihm jede Gerechtigkeit verwehrt wird, erfährt Jesus an seinem Leib auch die Gleichgültigkeit, denn niemand will sich die Verantwortung für sein Los aufbürden. Ich denke an die vielen Menschen, an die vielen Ausgegrenzten, die vielen Vertriebenen, die vielen Flüchtlinge, an die, für deren Schicksal viele nicht die Verantwortung übernehmen wollen. Die Menschenmenge, die ihm noch kurz zuvor zugejubelt hat, ändert den Lobpreis in ein Geschrei der Anschuldigung und zieht es sogar vor, dass an seiner Statt ein Mörder freigelassen wird. So kommt er zum Kreuzestod, dem schmerzhaftesten und entehrendsten Tod, der den Verrätern, den Sklaven und den übelsten Verbrechern vorbehalten ist. Die Einsamkeit, die Verleumdung und der Schmerz sind noch nicht der Höhepunkt seiner Entäußerung. Um in allem mit uns solidarisch zu sein, erfährt er am Kreuz auch die geheimnisvolle Verlassenheit durch den Vater. In der Verlassenheit aber betet und vertraut er sich an: »Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist« (Lk 23,46). Am Kreuzesbalken hängend, begegnet er neben dem Spott der letzten Versuchung – der Provokation, vom Kreuz herabzusteigen, das Böse mit der Gewalt zu besiegen und das Gesicht eines mächtigen unbezwingbaren Gottes zu zeigen. Doch Jesus offenbart genau hier, auf dem Gipfel der Entäußerung, das wahre Antlitz Gottes, der Barmherzigkeit ist. Er vergibt denen, die ihn ans Kreuz schlagen; er öffnet dem reuigen Schächer die Pforten des Paradieses und berührt das Herz des Hauptmanns. So abgründig das Geheimnis des Bösen auch ist, so unendlich ist die Wirklichkeit der Liebe, die dieses Geheimnis durchschritten hat und bis zum Grab und in die Unterwelt gelangt; die unser ganzes Leid angenommen hat, um es zu erlösen; um Licht in die Finsternis zu bringen, Leben in den Tod, Liebe in den Hass.

Die Art und Weise des Handelns Gottes, der sich für uns entäußert hat, mag uns so fern vorkommen, während wir uns schwer tun, auch nur ein bisschen von uns selbst aufzugeben. Er kommt, um uns zu erlösen. Wir sind aufgerufen, seinen Weg zu wählen: den Weg des Dienens, der Hingabe und der Selbstverleugnung. Wir können uns auf diesen Weg machen, indem wir in diesen Tagen innehalten und den Gekreuzigten betrachten, es ist der „Lehrstuhl Gottes“. Ich lade euch ein, in dieser Woche oft diesen „Lehrstuhl Gottes“ zu betrachten, um die demütige Liebe zu lernen, die rettet und Leben schenkt, um dem Egoismus, dem Macht- und Geltungsstreben abzusagen. Jesus lädt uns mit seiner Erniedrigung ein, seinen Weg zu gehen. Richten wir den Blick auf ihn, bitten wir um die Gnade, zumindest etwas von dem Geheimnis seiner Entäußerung für uns zu verstehen. Und so wollen wir in Stille das Geheimnis dieser Woche betrachten.