Papst-Vesper: Ausrufung des Heiligen Jahres

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Es war der offizielle Prolog zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit: Papst Franziskus hat an diesem Samstagabend die Vesper zum Vorabend des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit gefeiert. Dabei wurden vor der „Porta Sancta“ des Petersdoms Auszüge aus der Bulle verlesen, mit der er das Heilige Jahr offiziell einberuft. „Warum heute ein Jubiläum der Barmherzigkeit begehen?“, fragte Franziskus in seiner Predigt bei der Vesper. Und antwortete dann selbst: „Ganz einfach, weil die Kirche in dieser Zeit großer epochaler Veränderungen gerufen ist, die Zeichen der Gegenwart und Nähe Gottes vermehrt anzubieten.“

17.30 Uhr auf dem Petersplatz: Ein ‚Apostolischer Protonotar’, so der offizielle Titel, trägt im Beisein von Franziskus Auszüge aus der Bulle vor. Außerdem werden Kopien des Textes feierlich an Kurienkardinäle überreicht und an Kirchenleute von mehreren Kontinenten; so vertritt etwa Erzbischof Savio Hon Tai-Fai, der Sekretär der Missionskongregation, den asiatischen Kontinent, er ist in Hongkong geboren. Die Szene erinnert ein bisschen an den feierlichen Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils, damals – es war der 8. Dezember 1965 – überreichte Paul VI. auf dem Petersplatz kurze Appelle des Konzils an Regierende, Künstler, Frauen, Jugendliche und weitere ausgewählte Gruppen.

„Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“, stimmt der Chor zu Beginn der Vesper an; in der lateinischen Fassung des Psalms 89 heißt es „Misericordias Domini“, die Barmherzigkeiten des Herrn werde ich besingen – das passt noch genauer zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, das hier heute proklamiert wird.

„Beten für bedrohte Christen“

In seiner Predigt in St. Peter schlägt Franziskus schnell einen ernsten Ton an. Er erinnert an den Gruß des auferstandenen Jesus an seine Jünger: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). „Vor allem in diesen Wochen bleibt der Friede nur ein Wunsch für so viele Völker, die die unerhörte Gewalt der Diskriminierung und des Todes erleiden, nur weil sie den Namen Christen tragen. Unser Gebet wird noch eindringlicher und zu einem Hilfeschrei zum Vater, der voll Erbarmen ist, dass er den Glauben so vieler leidender Brüder und Schwestern stütze. Zugleich bitten wir, dass er unsere Herzen verwandle, um von der Gleichgültigkeit zum Mitleid zu gelangen.“

„Trotz der Schwierigkeiten und Leiden im Leben“ wachse doch die „Hoffnung auf das Heil“, so der Papst weiter, unter Berufung auf den Apostel Paulus. Gottes Barmherzigkeit sei „in uns ausgegossen“ und schenke uns Frieden. Von diesem Punkt aus sprang Franziskus in die Aktualität hinüber:

„Eine Frage beschäftigt die Herzen vieler: Warum heute ein Jubiläum der Barmherzigkeit begehen? Ganz einfach, weil die Kirche in dieser Zeit großer epochaler Veränderungen gerufen ist, die Zeichen der Gegenwart und Nähe Gottes vermehrt anzubieten. Dies ist nicht die Zeit für Ablenkung, sondern im Gegenteil um wachsam zu bleiben und in uns die Fähigkeit, auf das Wesentliche zu schauen, wieder zu erwecken. Es ist die Zeit für die Kirche, den Sinn des Auftrags wieder neu zu entdecken, den der Herr ihr am Ostertag anvertraut hat: Zeichen und Werkzeug der Barmherzigkeit des Vaters zu sein (vgl. Joh 20,21-23).“

„Ein Jubiläum, um die Wärme seiner Liebe zu spüren“

Das Heilige Jahr solle deswegen „den Wunsch lebendig halten, die vielen Zeichen der Zärtlichkeit begreifen zu können, die Gott der ganzen Welt anbietet“, so Franziskus. Schon in seiner Predigt bei der Amtseinführung vor gut zwei Jahren hatte er von der „Zärtlichkeit“ Gottes gesprochen. Jetzt präzisierte er, diese Zärtlichkeit gelte „vor allem denen, die in Leid sind, die allein und verlassen und auch ohne Hoffnung sind, vom Vater Vergebung zu erlangen“.

„Ein Heiliges Jahr, um in uns die Freude tiefer zu verspüren, dass wir von Jesus wieder gefunden wurden, der als Guter Hirt gekommen ist, uns zu suchen, weil wir uns verirrt hatten. Ein Jubiläum, um die Wärme seiner Liebe zu spüren, wenn er uns auf seine Schultern nimmt, um uns zum Haus des Vaters zurückzubringen. Ein Jahr, in dem wir vom Herrn Jesus berührt und von seiner Barmherzigkeit verwandelt werden, damit auch wir zu Zeugen der Barmherzigkeit werden. Das ist der Grund für das Jubiläum, denn dies ist die Zeit der Barmherzigkeit.“ Auch damit griff Franziskus eine Formulierung auf, die er schon mehrmals zu Beginn seines Pontifikats verwendet hat: Zeit der Barmherzigkeit. „Es ist eine gute Zeit, um die Wunden zu heilen, um nicht müde zu werden, denen zu begegnen, die darauf warten, die Zeichen der Nähe Gottes zu sehen und mit der Hand zu berühren, um allen den Weg der Vergebung und der Versöhnung anzubieten.“

„Die Zeichen der Nähe Gottes mit der Hand berühren“ – damit spielte Papst Franziskus auf die Evangelienerzählung vom ungläubigen Thomas an. Diese Szene, wie Thomas dem Auferstandenen seine Hand in die Seitenwunde legt, war übrigens auch auf dem Heftchen-Cover zu sehen, das das Liturgische Büro des Vatikans für die Teilnehmer an der Vesper gedruckt hatte. „Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat“, sang der Chor; die Papst-Bulle zum bevorstehenden Heiligen Jahr wird an diesem Sonntag auch in den drei anderen Päpstlichen Basiliken von Rom feierlich verlesen. Das Leitwort des Heiligen Jahres lautet: „Barmherzig wie der Vater“.

(rv 11.04.2015 sk)